Kürzlich haben wir mit einem Kunden intensiv über die Besetzung einer Führungsfunktion in seinem Unternehmen gesprochen. Er steckte in einem Dilemma fest: weder hielt er die Person, die sich intern für diesen Job „in Stellung“ gebracht hatte, dafür geeignet, noch konnte er die Funktion dieser Person nicht übertragen, da ansonsten mit massiven internen Verwerfungen zu rechnen gewesen wäre. Was also tun?
Das Tetralemma
Sie kennen solche Situationen vielleicht: Sie stehen vor einer Entscheidung und müssen sich zwischen Pest und Cholera entscheiden. Und bereits in dem Moment, in dem Sie sich für eine der beiden Varianten entscheiden, wissen Sie bereits, dass Sie sich falsch entschieden haben. Der gängige Begriff dafür ist das Dilemma – eine Situation, aus der es keinen vernünftigen Ausweg gibt. Genau an dieser Stelle setzt das Tetralemma an. Es ist eine Methode, die sehr häufig in Coaching-Situationen angewendet wird. Sie passt aus unserer Erfahrung heraus aber auch sehr wirkungsvoll in die Gestaltung von unternehmerischen Veränderungen.
Sie funktioniert so: Die beiden ersten Entscheidungsmöglichkeiten kennen Sie bereits aus dem zuvor geschilderten Dilemma. Sie lauten „Das eine“ oder „Das andere“. Ein klassisches Dilemma ist, wenn sich beide Varianten ausschließen. Genau hier setzt das Tetralemma als Lösung an, in dem es die Einnahme einer dritten Position vorschlägt: „Beides“. Die einfachste (aber nicht immer beste) Form der Lösung „Beides“ ist der Kompromiss. Sie versuchen also, das Beste aus Variante 1 und 2 in eine neue Lösung einfließen zu lassen. Neben dem Kompromiss gibt es aber noch viele andere Formen, um beides zu vereinen, z.B. das Nichtgewählte in das Gewählte einfließen zu lassen. Sie entscheiden sich also z.B. für Variante 1 und integrieren Elemente aus Variante 2 darin. An der Stelle hört das Tetralemma aber nicht auf. Vielmehr werden zwei weitere Lösungen angeboten.
Die vierte Position lautet „Keines von beiden“. Damit negieren Sie die beiden sich vermeintlich ausschließenden Lösungsvarianten und beziehen eine ablehnende Position. Manchmal kann ein einfaches „Nein – weder so noch so“ eine befreiende Haltung in der Entscheidung von Situationen sein. Am interessantesten und zugleich am meisten komplex ist die fünfte angebotene Variante. Sie lautet „All dies nicht und auch das nicht“. Zu dieser Position gelangen Sie z.B., indem Sie die Frage, die zu dem Problem führt, anders formulieren oder sie vielleicht überhaupt nicht mehr stellen. Sie suchen eine völlig neue Lösung außerhalb des bisher denkbaren Lösungsrahmens. Dabei ist es hilfreich, den Kontext und die Sichtweise zu verändern.
So gehen Sie vor
Beschreiben Sie nacheinander Ihre Antworten auf die 5 Fragen. Tun Sie dies so präzise wie möglich. Arbeiten Sie die Essenz einer jeden Lösung heraus. Die Worte „geht nicht“ dürfen dabei keine Rolle spielen. Es geht um neue Blickwinkel und damit Lösungsräume. Diese erhalten Sie nur, wenn Sie das Undenkbare denken. Wichtig an der Arbeit mit dem Tetralemma ist aus unserer Sicht die Bearbeitung aller 5 Lösungswege in der angegebenen Reihenfolge. Das Tetralemma wird damit zu einer Art Landschaft, die Sie durchwandern. Mit jedem neuen Gedanken zu der Fragestellung wird das Thema „reifer“ und Sie nähern sich einem Punkt, an dem Sie sich entscheidungssicherer fühlen. Dabei ist die Tetralemma-Arbeit kein linearer Weg, sondern eher als Zirkel zu verstehen. Sie kommen wieder zurück an den Ausgangspunkt Ihrer Überlegungen, haben auf dem Weg dahin aber zahlreiche neue Sichtweisen erhalten, die Ihnen gut tun.
Anwendungsbeispiele
Die Arbeit mit dem Tetralemma bietet sich z.B. an, wenn es mal wieder darum geht, Vertrieb und Produktion oder Controlling und Vertrieb zu einer einheitlichen Vorgehensweise zu motivieren. Das Aufeinandertreffen verschiedener Perspektiven führt oftmals zu verhärteten Fronten, die sich mit den Fragen des Tetralemmas systemisch auflösen lassen. Aber auch bei der Verabschiedung von Vertriebsstrategien oder der Entscheidung über die Anpassung Ihrer Vertriebsorganisation sind die Fragen des Tetralemmas hilfreich. Sie werden feststellen, dass dadurch Ihre Welt der Entscheidung klarer wird. Zurück zum Anfang unseres Blogbeitrages, der Situation bei unserem Kunden: Wie sie ausgehen wird, wissen wir nicht. Unser Kunde hat als allererstes einmal den (vermeintlichen) Zeitdruck aus der Entscheidung herausgenommen und durchwandert derzeit die 5 Wege des Tetralemmas. Dabei wünschen wir ihm – und Ihnen künftig vielleicht auch – viel Erfolg. Wenn Sie mehr über die Anwendung des Tetralemmas in Ihrem Unternehmen wissen wollen, dann nehmen Sie Kontakt mit uns auf: Edmund Cramer.